Alt, aber kein altes Eisen!

Canons EOS 70D auf der Höhe der Zeit?

Viel, allzu viel wurde in den letzten sechs, acht Jahren über die neue Technik fabuliert. Die Hersteller übertreffen sich mit immer neuen Rekorden hinsichtlich Auflösung, Serienbildgeschwindigkeit, Treffsicherheit der Fokussysteme. Die Objektive werden immer lichtstärker, und wer nicht wenigstens ein, zwei Festbrennweiten in der Glaskammer hat, ist ohnehin von gestern. Aber was haben die Digitalknipser vor über 10 Jahren gemacht? Waren ihre Aufnahmen seinerzeit so viel schlechter als heute? Ist Zoom endgültig out? Schon damals wurden in den Hochglanz-Fachzetten, die sich bei nüchterner Betrachtung als reine Werbebroschüren der Fotoindustrie erwiesen, Trends gesetzt, die zu immer ähnlicher werdenden Bildergebnissen im Profi- und Semi-Profisektor führten. Insbesondere die Landschafts-, aber auch die Porträtfotografie wartete mit immer spektakuläreren Aufnahmen auf, die eines bewirkten: die völlige Austauschbarkeit der Bildergebnisse bis hin zu gähnender Langeweile. Es geht schon lange nicht mehr um den „richtigen Augenblick“, wie es Henry Cartier-Bresson einst formulierte, sondern vielmehr darum, die moderne Technik mittels KI, AI oder was auch immer an seine Leistungsgrenzen zu treiben. Eine ganze Horde von „unabhängigen“ Influenzern hilft bei der Vermarktung der sich immer ähnlicher werdenden Produkte, deren Leistungsfähigkeit sich allenfalls in Nuancen unterscheidet.

Nikon Z50 MKII/ Foto: Hersteller

Unlängst wurde in trauter Einmütigkeit die Nikon Z50 II promotet und über den grünen Klee gelobt, was zweifellos den Verdacht einer fremdfinanzierten Kampagne nahe legt. Das Teil hat einen alten 20MP-Sensor drin, wie schon ihr Vorgänger und wie die mit einigem Aufwand vermarktete, auf „Vintage“ getrimmte Nikon Z fc, also einen Stand der Technik von 2013. Darüber wurde in allen Testberichten – husch husch – hinweg gegangen. In welcher hintersten Ecke einer Lagerhalle noch ein paar Paletten alter Sensoren gefunden wurde, die nun weg müssen, bleibt im Dunkeln.

Einer der Youtuber, darauf angesprochen, wurde sogar garstig und unterstellte dem Knipser, eh keine Ahnung zu haben. Was blieb, war der Entzug des YT-Abos, was freilich am Ende nicht viel ausrichten wird.

Als der Knipser unlängst seine über die Jahre angesammelten Canon-Bestände besah, geriet er in träumerische Verzückung angesichts der Oldies, die ihm einst den Weg zurück in die Fotografie bereiteten. Es fing 2013 mit einer Canon EOS 600D und einer Bridgekamera SX50 HS (1200mm Mega-Zoom) an. Später gesellten sich eine 5D II und eine 6D dazu, nicht zu reden von allerlei Objektiven.

Inzwischen sind wir einigermaßen auf der Höhe der Zeit, wenngleich das Tempo des sich beinahe halbjährlich vollziehenden Modellneuaufgusses kaum mitzuhalten ist. Die Tendenz der fallenden Profitrate, von David Ricardo beschrieben und von Marx als Bewegungsgesetz des Kapitalismus entdeckt, zwingt die Industrie dazu, ständig neue Produkte auf den Markt zu werfen. Produziert wird, um verbraucht zu werden, auch das ein ökonomisches Bewegungsgesetz, beschrieben von Günther Anders in „Die Antiquiertheit des Menschen“. Eine durchschnittliche Mittelklasse-Kamera ist auf 150.000 Auslösungen ausgelegt. Danach, sowieso veraltet, muss der Verschluss in die Wartung oder einfach auf den Schrott.

Wer mit mehreren Kameras parallel hantiert, kann den Abnutzungsgrad verlangsamen, verteilt sich doch die Summe der zur Verfügung stehenden Auslösungen auf breitere Schultern. Eine vor fünf Jahren erschienene Canon EOS R5, gebraucht inzwischen unter der Hälfte des Neupreises zu kriegen, ist immer noch eine Spitzenkamera und sollte noch in 10 Jahren bei sorgsamer Pflege professionelle Fotos liefern. Um ihr einiges an Verschlussgeklapper abzunehmen, empfiehlt es sich, zugleich mehrere Modelle verschiedener Ausführung am Start zu haben und auch die alten Schätzchen bei Bedarf aus dem Schrank zu holen.

Gerade lief mir beim Stöbern in der Bucht eine sehr gut erhaltene EOS 70D, erschienen 2013, über den Weg, der ich angesichts des unschlagbar günstigen Kurses nicht widerstehen konnte. Für beinahe ein Taschengeld wechselte sie den Besitzer. Das Auslesen des Shutters ergab gerade mal 20.000 Auslösungen. Irgendwo kullerte noch ein gehobenes 18-135mm Kit-Objektiv herum, das dem digitalen Senior zu neuem Leben verhalf. Immerhin, was dieser Apparat zu leisten im Stande ist mit einem Sensor so groß wie in einer aktuellen APSC-Knipse von Nikon, kann sich sehen lassen. Und tatsächlich haben die Bilder ihren eigenen Look, der bei den exorbitant teuren Modellen der Gegenwart so viel beschworen wird. Es lohnt sich, immer mal mit solchen Brocken zu hantieren, denn zum alten Eisen gehören sie noch lange nicht.

Seit die digitale Fotografie ihren Kinderschuhen entwachsen ist, also spätestens ab einer Sensorgröße von etwa 12MP und brauchbaren ISO-Werten um 3200 (der höchste Wert bei Filmen mit einer kräftigen Körnung), lassen sich noch mit beinah jedem Apparat gute, wenn nicht vortreffliche Ergebnisse erzielen. Angesicht der Flut von minderwertigen, ewig gleichen Smartphone-Selfies eine Wohltat für das fotografische Auge.